Wie läuft das Einigungsstellenverfahren ab?

Ein kurzer Überblick:

Der Einigungsstellenvorsitzende beruft unverzüglich die erste Sitzung ein, alle Beteiligten bereiten sich vor.

1. Eröffnungsphase: In der Eröffnungsphase legt der Vorsitzende das Verfahren fest. Die Einigungsstelle klärt gegebenenfalls bestimmte Vorfragen, etwa zur Zuständigkeit der Einigungsstelle.

2.Informationsphase: Sodann beginnt die Informationsphase, in welcher der Vorsitzende sowie der Arbeitgeber bzw. Betriebsrat jeweils über den Sach- und Verhandlungsstand und die Rechtsansichten sowie Positionen/ Interessen der Gegenseite informiert werden.

3.Verhandlungsphase: Dem folgt die Verhandlungsphase, in der eine einvernehmliche Regelung angestrebt wird. Jederzeit können Informationen (z.B. Unterlagen) angefordert und Beweis erhoben (z.B. Zeugen und Sachverständige vernommen) werden.

4.Beschlussphase: Die Beschlussphase unterteilt sich in zwei Abstimmungsrunden; bei der ersten Abstimmung stimmt der Vorsitzende nicht mit. Kommt es dabei zu keiner Einigung, kommt es nach weiterer Beratung (und ggf. Beweisaufnahme) zu einer zweiten Abstimmungsrunde, bei welcher der Vorsitzende nun auch abstimmt.

5.Abschlussphase: Sodann wird der getroffene Spruch vom Vorsitzenden schriftlich fixiert, unterzeichnet und schließlich dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat zugestellt.

Im Einzelnen: Die einzelnen Verfahrensphasen

Steht die Person des Einigungsstellenvorsitzenden fest – weil sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf sie geeinigt haben oder weil das (Landes-) Arbeitsgericht sie rechtskräftig eingesetzt hat –, lädt der Einigungsstellenvorsitzende unverzüglich (das heißt so schnell wie möglich und sinnvoll) zur (ersten) Sitzung ein. Die Sitzung findet unter Berücksichtigung der konkreten Gegebenheiten, und um die Kosten für den Arbeitgeber möglichst gering zu halten, regelmäßig im Betrieb selbst statt. Dies erleichtert den Zugang zu benötigten Unterlagen oder dem EDV-System wie auch den Kontakt zu etwaigen Auskunftspersonen, z.B. Mitarbeitern. Den vom Betriebsrat benannten Beisitzern ist die kurzfristige Rücksprache mit dem Betriebsrat und ggf. dessen kurzfristige Beschlussfassung erleichtert. Alternativ findet die Sitzung in einem Tagungshotel statt oder anderen angemieteten Räumlichkeiten.

Erster Kontakt

Unsere Konfliktlöser treten in aller Regel vor der ersten Sitzung mit Arbeitgeber und Betriebsrat bzw. mit deren Rechtsanwälten in Kontakt und erbeten von beiden Seiten kurze schriftliche Stellungnahmen zum Sach- und Streitstand. Unsere Konfliktlöser schätzen vorab die Zuständigkeit der Einigungsstelle ab, das heißt ob tatsächlich ein mitbestimmungsrechtlicher Tatbestand (bzw. eine wirksame freiwillige Einsetzung der Einigungsstelle) vorliegt. Mit dem Arbeitgeber klären wir die Honorarfrage.

Eröffnungsphase

In der Eröffnungsphase klärt die Einigungsstelle – also der Vorsitzende und die Beisitzer – ihre Zuständigkeit. Da über ihre Zuständigkeit häufig Einvernehmen besteht oder ihre Zuständigkeit offensichtlich ist, ist dies meist nur ein kurzer formaler Akt.
Die Beschlussfähigkeit wird festgestellt und gegebenenfalls werden einzelne Fragen erörtert oder beschlossen (die Teilnahme weiterer Personen, Vollmachten, Zeitrahmen, Protokollführung etc.)

Möglichst rasch steigen unsere Konfliktlöser in das eigentliche Einigungsstellenverfahren ein. Dieses kann man in die Informationsphase, die Verhandlungsphase und die Beschlussphase unterteilen. Allerdings sind die Phasen oft fließend. So kann auch in der Verhandlungsphase oder gar bei der Beratung in der Beschlussphase beispielsweise deutlich werden, dass Informationen noch benötigt werden; etwa weil deren Bedeutung unklar war oder sie erst durch entwickelte Lösungsoptionen erforderlich werden. Dann würde man z.B. noch Dokumente sichten oder einen Sachverständigen anhören und eventuell erneut verhandeln.

Informationsphase

In der Informationsphase werden der Vorsitzende und die Beisitzer jeweils über den Verfahrensstand informiert. Die eigenen Positionen und Interessen des Arbeitgebers und des Betriebsrats werden vorgestellt bzw. herausgearbeitet. Der Sachverhalt wird, soweit bereits möglich, festgestellt; Beweise können erhoben werden (Sachverständige und Zeugen angehört, Unterlagen angefordert und gesichtet werden etc.). Der Sachverhalt wird „von Amts wegen“ durch die Einigungsstelle ermittelt. Diese ist also nicht auf den Sachverhaltsvortrag durch die Beteiligten beschränkt. Wenn möglich und zweckmäßig, versuchen unsere Konfliktlöser sich in der Informationsphase durch eine Betriebsbesichtigung ein Bild der konkreten Umstände zu verschaffen.
Die Sachverhaltsaufklärung kann natürlich auch in späteren Phasen erfolgen, etwa wenn in der Verhandlungsphase neue Aspekte oder Maßnahmen zutage treten oder vorgeschlagen werden. In der Informationsphase kann die Einigungsstelle zulassen, dass noch weitere Personen anwesend sein dürfen, etwa weitere Betriebsratsmitglieder oder Mitarbeiter des Arbeitgebers. (siehe auch: Dürfen auch Dritte an der Einigungsstellen teilnehmen?)

Verhandlungsphase

An die Informationsphase schließt sich die Verhandlungsphase an – die eigentliche Kernphase des Einigungsstellenverfahrens. Hier sind in aller Regel nur noch die Mitglieder der Einigungsstelle anwesend sowie die aufgrund ihrer Beschlüsse geladenen Zeugen, Sachverständigen oder Auskunftspersonen, soweit diese befragt werden. Wie der Name nahe legt, werden hier die widerstreitenden Positionen verhandelt mit dem Ziel, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Häufig wird es sinnvoll sein, dass der Vorsitzende mit den beiden Seiten zwischendurch auch getrennte Gespräche führt – natürlich unter Wahrung seiner Neutralität! Hier kann der Vorsitzende Verschiedenes ausloten:

    • welche Einigungsmöglichkeiten bestehen (insbesondere wenn beide Seiten aus Vorsicht lieber zurückhaltend agieren),
    • wie wichtig bestimmte Punkte den Parteien wirklich sind (oder ob es sich eher um „Verhandlungsmasse“ handelt),
    • oder auch mal gegenüber einer Seite durchblicken lassen – ohne sie gegenüber der anderen Seite bloßzustellen –, dass deren Forderung oder Position unrealistisch ist, und ihr das „Machbare“ vor Augen zu führen.

Alternativ, wenn die Verhandlungen festgefahren sind, können manchmal auch sog. 6-Augen-Gespräche sinnvoll sein. Hier spricht der Vorsitzende – im Einverständnis der Beisitzer – zeitgleich nur mit den jeweiligen Rechtsanwälten der beiden Seiten.

Bei komplexen Themen wird das Einigungsstellenverfahren bisweilen länger als eine Sitzung andauern. Hier kann sich die Einigungsstelle vertagen. Zwischenvereinbarungen können getroffen werden, in denen bis zur nächsten Sitzung den Parteien bestimmte Aufgaben auferlegt werden (z.B. die Machbarkeit eines vorgeschlagenen Konzepts durch Daten zu belegen), oder Zwischenergebnisse festgehalten werden.

Arbeitgeber und Betriebsrat können jederzeit – auch außerhalb der Einigungsstelle – eine einvernehmliche Regelung treffen (die Einigungsstelle endet dann).

Beschlussphase

Zeichnet sich – wie in etwa jedem zweiten Einigungsstellenverfahren – ab, dass eine einvernehmliche Lösung nicht möglich ist, wird der Vorsitzende die Verhandlungen für abgeschlossen erklären und in die Beschlussphase eintreten. An dieser dürfen nur noch der Vorsitzende und die Beisitzer teilnehmen.

Erste Abstimmungsrunde

Die Beschlussphase unterteilt sich in zwei Abstimmungsrunden. In der ersten Abstimmungsrunde ist der Vorsitzende nicht stimmberechtigt. Er kann – wie die Beisitzer – Anträge zur Abstimmung stellen. Da die von dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat benannten Beisitzer in aller Regel einheitlich abstimmen werden und ein Patt vorprogrammiert ist, dient diese erste Abstimmungsrunde dazu, doch noch eine einvernehmliche Lösung zu finden. Schätzungsweise ein Viertel der Einigungsstellenverfahren, die nicht bereits vorher einvernehmlich beendet wurden, enden in dieser ersten Abstimmungsrunde. Da sich die Beisitzer dabei in aller Regel auf einen vom Vorsitzenden vorgeschlagenen oder auch gemeinsam ausgehandelten Kompromiss einigen, bedürfte es eigentlich gar keiner ersten Abstimmungsrunde. Dennoch kann dieses Vorgehen Sinn machen, etwa wenn ein Einigungsstellenspruch den Kompromisscharakter oder die Unausweislichkeit nach außen dokumentieren soll. Auch kann für die erzielte Lösung eine Verhandlungsvollmacht der Beisitzer fehlen – etwa ein entsprechender Beschluss des Betriebsrats –, so dass eine einvernehmliche Verhandlungslösung nicht möglich ist. Ein Spruch der Einigungsstelle kann hier verhindern, dass Arbeitgeber und Betriebsrat nachträglich von dem gefundenen Kompromiss abrücken können. Denn im Rahmen der Abstimmung sind die Beisitzer frei und nicht den Weisungen des Arbeitsgebers bzw. des Betriebsrats unterworfen.

Erneute Beratung

Endet das Einigungsstellenverfahren – wie in etwa 75 % der in die Beschlussphase gelangten Einigungsstellenverfahren – nicht in der ersten Abstimmungsrunde, werden der Vorsitzende und die Beisitzer erneut beraten. Hier wird der Vorsitzende in der Regel ankündigen oder zumindest deutlicher andeuten, wie er in der folgenden Abstimmungsrunde abzustimmen gedenkt. Mit diesem Wissen kann es vorkommen, dass ein neuer Kompromissvorschlag erarbeitet wird, auf den sich die Beisitzer entweder einigen, oder über den sie in einer erneuten ersten Abstimmungsrunde abstimmen.

Zweite Abstimmungsrunde

Kommt es auch nach erneuter Beratung zu keiner einvernehmlichen Lösung und ergibt die erste Abstimmungsrunde keine Mehrheit, so findet die zweite Abstimmungsrunde statt. Bei dieser stimmt der Vorsitzende mit, der damit natürlich die ausschlaggebende Stimme hat. Es kommt zum Einigungsstellenspruch.

Abschließende Formalitäten

Der Vorsitzende hält sodann den zustande gekommenen Spruch schriftlich fest und unterzeichnet ihn. Die Beisitzer können ebenfalls, brauchen aber nicht zu unterschreiben. Der Vorsitzende leitet sodann den schriftlich fixierten und unterzeichneten Spruch schriftlich an den Arbeitgeber und an den Betriebsrat weiter. Mit Zugang des Spruches ist das Einigungsstellenverfahren abgeschlossen.